week no.fifty-two
In der vergangenen Woche ist passiert wovor ich mich schon seit Jahren gefürchtet habe. Meine Oma nahm ihren letzten Atemzug. Es heißt immer, dass es nicht plötzlich kommt, wenn die Angehörigen die Chance haben sich darauf vorzubereiten. Das ist völliger Quatsch! Nimmt das Leben uns einen geliebten Menschen fühlt sich das immer plötzlich an, auch wenn es absehbar war. Das klingt widersprüchlich, aber ich denke Ihr könnt mir folgen… Seit dem Tag an dem sie aufgrund von Schmerzen mit Morphium behandelt wurde wachte sie nicht mehr richtig auf. Anfangs gingen die Äuglein noch kurz auf und sie brabbelte etwas vor sich hin. Mit jedem darauffolgenden Tag nahm das ab bis sie schließlich nur noch in ihrem Bett lag und atmete. Man konnte ihr zusehen wie sie sich von uns verabschiedete, dennoch war sie da.
Am Dienstag Nachmittag, als ich mich gerade auf dem Weg zu ihr befand, nahm sie noch drei große Atemzüge und schlief dann ein. Sie war nicht allein, sondern ihr Mann und ihre Kinder waren bei ihr. Es war ihr sehnlichster Wunsch nicht in einem Krankenhaus, gar allein, zu sterben. Diesen Wunsch konnten wir ihr noch erfüllen.
Auch wenn es offensichtlich war, dass ihr schwaches Herz nicht mehr lange schlagen wird fühlt es sich dennoch an als würde man von einem Zug überfahren werden. Die meisten Leute denken: „Ach herrje und das an Weihnachten!“ Aber hat das wirklich eine Relevanz? Für mich ist es völlig gleich an welchem Tag sie von mir gegangen ist, denn es hätte sich an jedem gleich angefühlt. Gleich beschissen.
Weihnachten habe ich bei meinem Opa verbracht zusammen mit der ganzen Familie. Mit meinem Dad habe ich das Essen für alle gekocht. Es war mir irgendwie wichtig mich da einzubringen wo Oma früher gewirkt hat. Es gab Fisch und gedämpfte Kartoffeln, so zubereitet wie sie es mir gelehrt hat. Während dem Kochen habe ich sogar ihre Schürze getragen. Nicht, weil ich Angst hatte mir mein Kleid zu versauen, sondern weil es einfach dazugehört, wenn man in dieser Küche steht.
Die darauffolgenden Tage ging das Leben einfach weiter. Ich habe mir zum ersten Mal so richtig Gedanken darüber gemacht, dass die Welt sich tatsächlich einfach weiter dreht. Alles nimmt seinen normalen Lauf. Die Läden sind geöffnet, die Menschen gehen in Restaurants, feiern Weihnachten, sind glücklich. Auch ich. Die „geplanten“ Aktionen für die Feiertage sagte ich nicht ab, sondern nahm an allen teil. Ich dachte nicht weiter darüber nach. Ich weinte auch relativ wenig. Ablenkung hilft nicht weiter über den Verlust nachzudenken. Es ist eben immer ein Leichtes Schmerz und Wut beiseite zu schieben. Was mich immer völlig fertig machte war jedoch die Fahrt zu meinem Freund. Dieser knapp 20 Minunten lange Weg erschien mir auf einmal so fürchterlich lange. Ich hasse es am Krankenhaus vorbeizufahren. Vor wenigen Tagen, Wochen bin ich dort noch an ihrem Bett gesessen und konnte mir ihr sprechen.
Als ich nach Tagen das erste Mal alleine zuhause war fühlte ich mich so leer und energielos, dass ich einfach einschlief. Es strengt an stark zu sein. Nicht, dass ich nicht schwach sein dürfte. Mir fällt das einfach nur sehr schwer das vor anderen zuzulassen.
Morgen ist die Trauerfeier. Ich war mir so sicher, dass ich dort noch etwas sagen möchte. Heute jedoch fühle ich mich so abgeschlagen, dass ich nicht glaube das zu schaffen. Gerne will ich allen einen Brief vorlesen, der an meine Oma gerichtet ist. Ich will alle wissen lassen was sie mir bedeutet hat, was sie für mich getan hat. Versuche ich mich in diese Situation hinein zu fühlen sträubt sich jedoch alles in mir. Von meinem damaligen Job her fällt es mir an sich nicht schwer vor einer Menge Leute etwas vorzutragen, aber wenn ich an die ganzen traurigen Gesichter denke, die mich in diesem Moment anschauen schnürt es mir die Kehle zu. Ich glaube nicht, dass ich das schaffe…
Romy Matthias
29 . 12 . 2015Ich möchte auch sehr gern im Kreise meiner Lieben sterben und nicht in einem kalten Krankenhaus. Sie hat sich ihren letzten Wunsch erfühlt und konnte so glücklich gehen. Behalte sie gut in Erinnerung. LG Romy
Jay
03 . 01 . 2016Hallo Romy,
ich glaube die meisten Menschen wünschen es sich auf diese Weise zu sterben. Leider ist es nur den wenigsten gegönnt… Ich denke Du hast auf jeden Fall Recht, dass man sich in Erinnerung rufen sollte, dass wir meiner Oma ihren letzten Wunsch erfüllen konnten.
Liebe Grüße,
Janina
Heike Richter
29 . 12 . 2015Ich wünsche dir viel Kraft für die nächsten Wochen! Unsere Oma ist Anfang Dezember auch gestorben, mit fast 95. Aber auch wenn man sagt „ist ja ein gesegnetes Alter!“ tut es weh und sie fehlt so sehr! Sie war zum Schluss sehr dement, aber ich sehe immer noch ihr lachendes Gesicht vor mir.
Vor 6 Jahren starb meine Mama, auch hier war es schrecklich und jetzt daran zu denken tut immer noch sehr weh.
Vor 3 Jahren starb mein geliebter Bruder.Ich konnte nicht verstehen warum sich die Welt am nächsten tag einfach weiter dreht und sich die Leute über „Kleinigkeiten“ aufregen konnten.
Egal wie lange es her ist,egal wieviel Zeit vergehen wird, sie werden immer fehlen und den Platz kann niemand ersetzen. Aber ein Spruch sagt: Jemand ist erst tot, wenn er im Herzen vergessen. So lange er da noch einen Platz hat, ist er nur voraus gegangen!
Aus eigener schmerzvoller Erfahrung kann ich dir sagen, dass es wichtig ist mal nicht die Starke zu sein, sondern auch mal zuzulassen das du trauerst, weinst und schreist! Passe gut auf dich auf!!!!!!
Eine Umarmung und liebe Grüße
Heike
Jay
03 . 01 . 2016Liebe Heike,
vielen Dank für Deine lieben Worte. Da hast Du ja ganz schön was mitgemacht in den letzten Jahren :( Es hat mir sehr gut getan auf der Trauerfeier so richtig Abschied von meiner Oma nehmen zu können. Man atmet auf jeden Fall leichter, wenn man der Trauer einmal freien Lauf lässt. Ich wünsche Dir für deine Zukunft alles Gute!
Herzlichst,
Janina