Stories zum Geschlecht eines Kindes finde ich fast genauso spannend wie Geburtsberichte. Hatte die Mutter von Anfang an das richtige Gefühl? Wie lief die Enthüllung ab? Klassisch via Ultraschall oder über den möglichen Bluttest? Natürlich gibt es auch Eltern, die entschieden mit dem Outing bis zur Geburt zu warten. Junge oder Mädchen? Ich wollte von Anfang an wissen in welchem Team wir spielen. Sollten wir ein weiteres Mal das Glück haben Eltern zu werden, würde ich mich womöglich überraschen lassen.
Schon von vornherein stand fest, dass ich diesen wunderbaren Moment niederschreiben werde und folglich mit euch teile. Für mein Shooting mit Florian im letzten Drittel der Schwangerschaft, ich glaube es war zwei Wochen vor der Geburt von Luis, habe ich bewusst dieses blaue Kleid gewählt. Das perfekte Statement zu diesem Thema. Übrigens habe ich es auch getragen, einen Tag nachdem wir erfahren haben, dass wir einen Jungen bekommen würden. Zum damaligen Zeitpunkt ging ich in die Welt hinaus und war mir sicher jeder, den ich treffen würde, würde sofort verstehen… Für meine Mitmenschen war es aber eben einfach nur „ein blaues Kleid“, mehr nicht. Für mich bedeutete es eine ganze Menge mehr, wird es wohl immer. Typisch Modemädchen verknüpfe ich natürlich Emotionen mit einem Kleidungsstück.
#TEAMBLAU
27. September 2018
Es war ein warmer Spätsommertag. Zusammen mit meinem Freund saß ich im Wartezimmer der Frauenarztpraxis. Ich war nervös. Gedanklich rutschte ich auf meinem Stuhl hin- und her. „Schade, dass im unteren Teil des Wohnblockes kein griechisches Restaurant mehr ist!“ Hunger hatte ich. Ständig. Ich dachte kurz darüber nach, ob ich die Schlüssel mit den Bonbons am Empfang leeren sollte. Besser nicht. Das würde mir bestimmt nicht gut bekommen.
Ich sah rüber zu meinem Freund. Außer uns waren noch drei weitere Frauen im Raum. Warum die alle wohl hier waren? „Hoffentlich war niemand krank.“ Mit dem Baby in meinem Bauch wuchs auch die Sorge um die Menschheit. Ich war vorher schon ein sehr mitfühlender Mensch, aber nun rührte mich einiges mehr zu Tränen. Manches traf mich als wäre es mein Schicksal. Hormone.
„Gleich zeigst du dich aber mein Schatz, jetzt wird nicht geschlafen“, dachte ich und streichelte mir über den Bauch. Ob er meine Gedanken hören konnte? Eine Frage, die ich mir immer wieder stellte.
Wartezimmer-Romantik
Mein Freund las eine Zeitschrift und war wie immer die Ruhe in Person. Immer wieder blickte ich unruhig zu ihm rüber, hoffte er würde etwas Beruhigendes zu mir sagen. Stille. Wartezimmer-Romantik pur. Er wusste ich war besorgt. Gleichzeitig war ihm aber auch bewusst, dass er mir diese Ängste nicht nehmen konnte. Jedes Mal wenn wir beim Arzt saßen hatte ich große Sorge. Böses Kopfkino. Ich hoffte inständig, dass es dem Kind an nichts fehlen würde, dass alles an Ort und Stelle sein würde und es sich zeitgerecht entwickelte. Ja, in diesen Momenten dachte ich: „Bitte lass es dir einfach gut gehen!“
Das lebhaftes Würmchen in meinem Bauch machte mir ab Tag 1 klar, dass künftig der Wind woanders her wehen würde. Doch wie froh ich tatsächlich um jegliche Action in meinem Bauch war konnte keiner nachempfinden. Jede Bewegung, jeder Stoß, jeder Schluchauf vermittelte mir: „Ich bin da Mami, ich lebe.“
Unser erstes Date
Nicht mehr länger stand da dieses Fragezeichen zwischen uns. Es wurde zu einem Er und ich zu einer Jungsmama, mit nur einem Moment.
Ich saß also neben meinem Freund mit dem Hungergefühl beim Griechen, Gedanklich in Sorge und nervös wie vor einem ersten Date. Irgendwann gegen 13 Uhr ungefähr wurden wir ins Sprechzimmer gerufen. Wir warteten bereits über eine Stunde, wie immer. Gott wie ich das hasste. Das Begrüßungsgespräch mit der behandelnden Ärztin fiel wieder recht mau aus. Die Frau war fachlich unglaublich kompetent, aber sozial echt eine Niete. Für mich fürchterlich, ich brauchte es „betütelt“ zu werden. Folglich wechselte ich in der Schwangerschaft noch den Gynäkologen.
Ich durfte es mir auf der Liege bequem machen. Oft trug ich ihn dieser Phase der Schwangerschaft T‑Shirt Kleidchen, so auch an diesem Tag. Da kein Sommer mehr war hatte ich natürlich Nylonstrümpfe an. Wie ich da so lag hätte ich mir ein anderes Outfit für diesen Tag gewunschen. Die Strumpfhose heruntergekrempelt, das Kleid nach oben geschoben, Papiertücher im Schlüppi.
„Es wird kalt!“. Mit diesen Worten begann also die große Offenbahrung.
Es dauerte nicht lange und unsere wortkarge Ärztin gab mir Antwort auf meine Frage, ob man das Geschlecht denn nun sehen könnte. Vermutlich war das die einzige Situation, in der sie tatsächlich einfach hätte schweigen können. Just in diesem Moment räkelte sich nämlich unser kleiner Luis äußerst provokant in Richtung Schallkopf.
„Eindeutig ein Junge!“ BAMM.
Es traf mich wie einen Schlag. Auf einmal wurde alles so real. Da ist ein kleiner Junge in meinem Bauch. Wow.
Als ich zu meinem Freund hinüberblickte sah ich seine Augen blitzen. Ich war nicht sicher… „Sind das Tränen? Bekam er feuchte Augen aus Freude? Oder gar Enttäuschung? War da dieser Ich-wusste-es-Blick?“ Ich habe noch nie ein Kind mit jemandem bekommen, ich wusste also nicht was ich da sah. Es verunsicherte mich. Rückblickend würde ich vermuten es war ein Augenblick der Bewusstwerdung. Sein Papa-Moment. Ja und wo war ich? Mit den Gedanken zwar nicht beim Griechen, aber so fixiert auf meinen Partner, dass ich total vergaß was gerade geschah. RUMMS.
Mama-Moment. Ich fühlte mich wie von einem LKW überfahren. Platt wie eine Flunder lag ich auf der Pritsche und hörte der Ärztin im weiteren Verlauf der Untersuchung einfach nicht mehr zu. „Ich werde einen Sohn bekommen. Wie soll ich denn einen Jungen groß ziehen, mit meiner Mädchen-Erfahrung. Gott, ich weiß ja überhaupt nichts über Jungen. Naja ein bisschen was. Ein bisschen ist nicht genug. Ich hasse Fussball, jegliche typische Männersportarten. Ohje. Hilfe. Ich muss mich vorbereiten.“ Dieses mächtige Gefühl, diese Realität – einfach unglaublich.
„Mein Sohn.“
Alle Welt prophezeite mir, dass ich einen Jungen bekommen würde. Alle wussten es. Nur ich nicht. Ich, seine Mama trage ihn unter meinem Herzen und dachte er würde ein Mädchen werden. Prima! Wie dumm ich mich fühlte. Das verletze meinen hormongesteuerten Haushalt so sehr, dass ich nach dem Outing erst einmal weinte. Als alter Controllfreak wollte ich natürlich Recht behalten. Ständig. Jedenfalls war da zuvor auch – ich kann nicht sagen wieso – immer dieses kleine lockige Mädchen (Mama) mit braunen Augen (Papa) in meinem Kopf. Ich dachte als Schwangere hätte man das eben einfach im Gefühl. Falsch gedacht.
Mein Sohn. Wie sollte das Kerlchen denn nun aussehen? Ich hatte keinen Schimmer. Und heute da sehe ich ihn an und er ist genauso wie er sein sollte. Perfekt! Nein. Er ist nicht nur perfekt, er ist unglaublich hübsch. Zuckersüß. Weltkritisch wie Papa und eine Kichererbse wie Mama.
Nach dem Outing hasste ich also erst einmal alle die Recht behielten und versuchte das lockige Mädchen auf einen Jungen umzumünzen. Ich bitte euch das nun nicht so zu interpretieren, als hätte ich zwingend eine Tochter haben wollen. Ein Kind ist ja keine Bestellung die man reklamiert! Wir leben hier ja auch nicht in bestimmten Kulturkreisen wo das Geschlecht eine Relevanz hat. Heute wollte ich tatsächlich auch in keinem Fall tauschen. Ich liebe es eine Jungs-Mama zu sein und kann es mir gerade null vorstellen mit einem Mädchen. Später vielleicht einmal. Wer weiß, vielleicht auch lieber nochmal einen kleinen Knirps. Das Ende vom Outing war im Nachfolgenden übrigens der Beginn einer langen Namenssuche.
Die Namensfindung
So gepolt wie wir beide auf dieses lockige, braunäugige Mädchen waren stand natürlich auch schon ein Name fest. Eigentlich fanden wir schon lange vor der Schwangerschaft hier einen gemeinsamen Nenner. Marco findet Emi toll, mein Lieblingsname war Emilia. „Wow klasse, wenn wir mal ein Kind bekommen sollten wissen wir ja schon wie es heißen soll.“ Und jetzt? Ein Emil? Um ehrlich zu sein fand ich diesen Namen gar nicht so verkehrt, aber am Ende doch irgendwie zu unpassend für uns eben. Wir wältzen Bücher, durchforschten die Namenskette unserer Ahnen und hatten uns bis kurz vor der Entbindung immer noch nicht festgelegt. Nach und nach fiel uns auf wie viele Namen eigentlich scheiße und welche leider bereits von Freunden belegt sind.
Hugo kam spaßeshalber mal auf den Tisch wegen dem Nachnamen (Hugo Humbert). Jakob oder Charles gefiel mir gut, weil beides so klassische Namen sind und man coole Spitznamen kreieren kann. Außerdem hätte ich dann so jeden Tag ein bisschen Twilight oder Gossip Girl zuhause. #sorrynotsorry Filip hätte uns ebenso gut gefallen, aber da kennen wir mindestens fünf Stück nur in anderer Schreibweise. Elias auch sehr schön, aber gerade mega im Trend wegen Herrn Barek. Jedenfalls ist der Name recht weit vorne auf der Liste der Babynamen in 2017. Karlo fand ich mal eine Zeit lang gut, keine Ahnung warum. Luis hielt sich bis zum Schluss eisern. Wir überlegten kurz ob wir aus Luis einen Luiz machen sollten. Da wir aber keine spanischen Wurzeln haben fand ich das ganz schnell lächerlich.
Luis <3
Ich hatte inständig gehofft es würde mir ein Name einfallen und ich könnte sofort ein Gefühl mit ihm verbinden. Würde quasi von Innen heraus spüren, dass DAS der perfekte Name sein würde. Erst mit der Geburt verstand ich, dass es nötig ist einen Menschen zu sehen um wissen zu können welcher Name zu ihm passt. Luis. Mein kleiner Junge. Er kam an und herrschte umgehend über mich. Er nahm so viel Raum in meinem Herzen ein, dass einiges an Bedeutung verlor. Es stört mich nicht. Luis ist alles für mich, meine Familie, mein Freund – WIR!
*die Aufnahmen sind in Zusammenarbeit mit Florian Puschmann Photography entstanden. Die Bildrechte liegen beim Fotografen.
Larissa
24 . 06 . 2018Pure Gänsehaut beim lesen dieses Beitrags, als wäre man dabei gewesen.
Die Ängste, Sorgen, Freude, Ungewissheit… ❤️
Wirklich sehr schön geschrieben,
Larissa
(salut Ma vie)